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Peter Schönlaub
Autor: Peter Schönlaub
peter.schoenlaub@motorrad-magazin.at
8.4.2024

Indian Sport Chief TestfahrtDas Kalte Eisen

Man mag an anderes denken, aber uns fällt bei der Schlüsselübergabe der Sport Chief der unvergessliche Douglas Adams ein. „Ich bin so cool, Sie könnten ein Stück Fleisch einen Monat in mir aufbewahren“, schrieb er im Kultroman „Per Anhalter durch die Galaxis.“ Genau so fühlen wir uns jetzt.

Die Sport Chief ist eines jener Motorräder, die vor Charisma sprühen und seinen Fahrer bis in die Fingerspitzen elektrisieren, als hätte man permanent einen Weidezaun umklammert – und da ist man noch gar nicht damit gefahren. Klar, Design ist immer Geschmacksache, aber in diesem Fall kommt der Look mit einer eindeutigen Botschaft: Steig hinauf, fahr hinaus und drück der Welt deinen Stempel auf. Ob sie will oder nicht. 

In jeder guten Familie gibt es ein schwarzes Schaf: die gefallene Tochter, den halbkriminellen Onkel, den zwielichtigen Cousin. Als vierte Spielart der neuesten Chief-Generation fällt diese Rolle der Sport Chief zu. Sie ist noch düsterer als die Dark Horse, räudiger als die Bobber und will keineswegs mit praktischen Tugenden punkten wie die Super Chief Limited. Ihr Design wirkt ungehobelter, die kleine Scheinwerfermaske wie handgeschnitzt. Der Radstand streckt sich hier im puristischen Umfeld scheinbar noch länger, im Sattel sitzend möchte man fast in der Bedienungsanleitung nachlesen, wo sich das Vorderrad befindet.  

Das Spiel mit diesen subtilen Meta-Botschaften geht natürlich auf Designchef Ola Stenegard zurück, der es wie kein anderer in dieser Szene beherrscht, auf der Klaviatur der Coolness zu klimpern. Reduktion auf das Wesentliche, Fokus auf die Proportionen, zeitgemäße Nostalgie, unverspielte Brutalität, all das wirft Stenegard in die Waagschale und bringt es in eine atemberaubend Balance. Dieser Powercruiser ist nun sein Meisterstück, finden wir, und sind nun endlich bereit zum Starten.

Während sich das runde TFT-Display noch eine Nachdenkpause gönnt, um hochzufahren, schüttelt der große, luftgekühlte V2 schon seine Köpfe und erwacht zornig wie ein Bär, den man vorzeitig aus dem Winterschlaf geweckt hat. 116 Cubic Inch vereint die jüngste Auflage des Thunderstroke-Motors in seinen zwei Brennräumen, also 1890 Kubikzentimeter. 

Mit daraus gewonnenen 90 PS sind wir heutzutage natürlich nicht mehr einzuschüchtern, aber 162 Newtonmeter, noch dazu bei niedrigen 3200 Umdrehungen abgeliefert, nötigen ungebrochenen Respekt ab.

Noch bevor wir hinausziehen, um unsere Mission zu erfüllen und der Welt unseren Stempel aufzudrücken, müssen wir uns zuerst auf das Motorrad schlichten. Es ist eine anspruchsvolle Position, die einzunehmen man gezwungen ist. Der Hintern keilt sich tief in die ausgeschnittene Einzelsitzbank (eine Sozius-Transportmöglichkeit ist als Extra bestellbar), die Füße finden Halt auf mittig angebrachten Fußrasten, der geschwungene Lenker wiederum ist mit mächtigen, sauber gefrästen Risern um gut 15 Zentimeter höher gelegt – da braucht man einen Moment, bis man sich selbst am Bike formatiert hat.

Dann zieht man die Kupplung – ein kleines Workout für die Armmuskeln – tritt den ersten Gang ins Getriebe und macht sich auf den Weg wie einst die Hunnen aus Zentralasien.

Okay, man braucht auch beim Fahren einige Meter, um das Motorrad zu verstehen. Powercruiser tragen ihre gespaltene Persönlichkeit ja schon in ihrer Bezeichnung. Power und Cruisen, das passt ja eigentlich nicht zusammen. Doch genau dieser Gegensatz macht auch den Reiz aus, zumindest bei den gelungeneren Vertretern dieser Gattung.

Im Fall der Sport Chief ergibt sich die „Power“ nicht aus Veränderungen am Motor. Der Thunderstroke besitzt die gleichen Spezifikation wie in den zivileren Varianten, wenn man sie so nennen will. Die namensgebende Sportlichkeit rührt von markanten Veränderungen am Fahrwerk. So findet sich vorne eine 43er-Upside-down-Gabel, die von der Challenger übernommen wurde und mit längeren Federwegen die Front höherlegt; auch die beiden neuen Fox-Federbeine mit Ausgleichsbehältern am Heck bieten um ein Drittel mehr Federweg als die Standard-Stoßdämpfer in den übrigen Chief-Modellen.

Diese zusätzlichen Reserven kommen dem sportlichen Potenzial und in geringem Maß auch dem Federungskomfort zugute, zielen aber hauptsächlich auf eine Erhöhung der Schräglagenfreiheit ab. Dazu kommen wir noch.

Ein weiterer großer Unterschied zu den anderen Chiefs besteht in der Bremserei: Nur hier werden vorne zwei Scheiben (320 Millimeter) montiert, kombiniert mit radial montierten M4.32-Sätteln von Brembo. Hinten dreht sich noch ein weiterer 300er-Teller mit Zwei-Kolben-Sattel. 

Wer vermutet, dass diese Premiumware leichtes Spiel selbst mit den 311 Kilo Lebendgewicht hat, der behält Recht. Unfassbar, wie souverän diese rollende Masse eingefangen wird, es katapultiert einen fast aus dem Sattel und man muss aufpassen, dass man hier nicht den dummen August macht, indem man in den Lenker beißt.

Die umgekehrte Entsprechung ist nicht weniger spektakulär: der Antritt. Auch ihn will man einem so massigen Motorrad kaum zutrauen. Falls ihr das schon erlebt habt: Beschleunigungen wirken mit fetten Geräten immer ärger als mit Leichtgewichten. Wir konnten vor Jahren den ersten Mercedes G in AMG-Spezifikation testen – ein Auto mit dem Look einer umgefallenen Telefonzelle und der Seele eines Nascar-Boliden. Obwohl sich die Beschleunigung objektiv natürlich nicht mit den Porsches und McLarens dieser Welt messen ließ, war dieser Antritt subjektiv das Ärgste, was wir jemals mit vier Rädern erlebt haben.

Es mag auch mit dem Gebrüll aus den Sidepipes und der Schüttelei des Kompressor-V8 zu tun gehabt haben. Unvergesslich zudem das Anstarten in der Tiefgarage: Da hat’s sicher im weit entfernten Geoforschungszentrum die Nadeln aus den Seismographen vibriert. Auf jeden Fall war’s ein Erlebnis, das heutzutage irgendwie undenkbar geworden ist.

Oder doch nicht ganz, denn die Sport Chief kann ruhig ein wenig als zweirädrige Entsprechung gelten. Auch sie verknüpft den beschleunigungstechnischen Arschtritt mit dramatischen Effekten in bester Hollywood-Inszenierung. Kino in 4D, gewissermaßen, mit Gänsehaut und Adrenalin bis in die Haarspitzen; mit einem Motor, der sich abbeutelt wie ein Grizzly nach der Lachsjause, schnauft wie ein Bison, zittert wie eine Trägerrakete beim Zünden – und von all seinen Befindlichkeiten mit lauter Stimme Kunde gibt. 96 Dezibel übrigens, man wird eine Sport Chief also in einigen Teilen Österreichs nicht zu Gesicht bekommen, selber schuld.

Zum Schluss noch ein paar profane Infos, bevor sie im Getöse des Motors untergehen, im Schall und Rauch der Euphorie. 

Erstens: Auch wenn die Schräglagenfreiheit durch die längeren Federwege gestiegen ist, setzt die Sport Chief viel zu früh auf, um wirklich dynamisch um die Ecken zu biegen. Hier fällt das sogar noch stärker auf, weil man ja aufgrund der guten Fahrwerksteile und der engagierteren Sitzhaltung gleich auf Grimmigkeit gepolt wird. Man weiß, was möglich wäre, kann’s dann aber doch nicht exekutieren, weil man ja nicht am Rahmen aufsetzen und unschön aus der Umlaufbahn der Glückseligkeit geschleudert werden will. So bleibt am Ende doch eher die Freude an der dragsterartigen Beschleunigung, während man sich in den Kurven zähneknirschend ans Cruisen hält.

Zweitens: Der böse, kleine Windschild bändigt den Wind doch ein wenig, aber auch nur das: ein wenig. Wer properen Windschutz erwartet, greife zur Super Chief.

Drittens: Mittlerer Tank, mittlerer Durst, ergibt unterm Strich eine mittlere Reichweite. 200 Kilometer bis zum Warnlicht sollten sich aber ausgehen, für einen Cruiser passt das.

Viertens: Drei Fahrmodi stehen zur Disposition, die eine erstaunlich weite Spreizung bieten. Während „Tour“ fast schon wattig-weich ist, finden wir „Sport“ unfahrbar direkt. Da ruckelt’s und schiebt’s, ein Zehntelmillimeter Bewegung am Gasgriff reicht, um die Sport Chief nach vorne hechten zu lassen. Ein unfroher Moment, wenn man in der Kurve das Gas leicht anlegt, aber eine Bodenwelle die Hand minimal bewegt – da sucht man für den Einschlag schon nach der weichsten Stelle in der Leitplanke. Also bleiben diejenigen, die nicht ohne Sicherung Seiltanzen, lieber bei „Standard“. 

Und fünftens: Das runde TFT-Touchscreen ist, abgesehen vom lähmend langen Hochstarten, ein Knüller. Ausreichend kompakt, um am Lenker nicht aufzutragen bietet es alle notwendigen Infos und noch viele mehr. So ist zum Beispiel schon ein Navi mit Kartendarstellung integriert, man braucht nicht am Smartphone zu drücken und wischen, sondern kann ein Ziel direkt am Display eingeben. Oder eine Route via Ride-Command-App von Indian synchronisieren. Großartig.

Leise knisternd und in hochtrabenden Gedanken versunken stellen wir die Indian Sport Chief zurück. Wieder fällt uns ein Zitat von Douglas Adams ein: „Ich habe einen Tag gehabt, danach würde sogar der heilige Franz von Assisi Babys in den Hintern treten.“ Wirklich witzig. Er wäre in unserem Fall aber eine dicke Lüge.

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